Rohstoffe, Umwelt & Klima

Umsteuern angesagt

Die Mobilität des 21. Jahrhunderts braucht Innovationen. Eine Geschichte von Städten und Technologien, die zeigen, wie es möglich sein könnte, die Jahrhundertherausforderung zu meistern.

Autos waren einst das Symbol des Fortschritts und der Unabhängigkeit schlechthin.

Smog, Staus, Parkplatznöte – Städte in aller Welt ächzen immer mehr unter der Last ihrer Fahrzeugkolonnen. Das Auto, einst als Symbol der Freiheit gefeiert, erfährt heute immer öfter Beschränkungen. In Paris, Peking oder São Paulo dürfen an Tagen mit hoher Feinstaubbelastung nur noch abwechselnd Fahrzeuge mit geraden und ungeraden Endziffern auf den Nummernschildern in die Stadt, in Schanghai kostet ein Kennzeichen heute so viel wie ein Kleinwagen und der Kurierdienst UPS hat Millionen in ein Navigationssystem investiert, das die Autos möglichst nur noch rechts abbiegen lässt, um Zeit und Sprit zu sparen. Ideen gibt es viele, denn eines ist klar: Die Mobilität von morgen muss vor allem in den Metropolen der Welt anders aussehen.

Heute stehen die Freiheitssymbole von damals immer öfter im Stau und tragen zur Luftbelastung in den Megastädten der Welt bei.

Das Auto war über viele Generationen das Statussymbol schlechthin. Doch “peak car” ist in zahlreichen Ländern schon vorbei“

Peter Newman

PhD und Professor für Nachhaltigkeit an der Curtin Universität in Australien

Das heutige Verkehrssystem ist den Massen von Menschen, die in die Großstädte drängen, nicht mehr gewachsen. Allein in den USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland kosten Staus die Wirtschaft bereits jedes Jahr rund 180 Milliarden € (200 Milliarden $) und jeden einzelnen Menschen rund 111 Stunden Lebenszeit, wie das Centre for Economics and Business Research (CEBR) im Auftrag des Verkehrsdatenspezialisten INRIX errechnet hat. Und bis zum Jahr 2030 werden die Kosten für die Wirtschaft mit dem wachsenden Verkehrsaufkommen weiter um fast 50 % steigen.

Ohne Verkehrswende keine Energiewende

Die Menschen werden zwar nicht gänzlich auf ihr Auto verzichten, doch seine Bedeutung wird sich ändern. „Das Auto war über viele Generationen das Statussymbol schlechthin“, sagt Peter Newman, PhD und Professor für Nachhaltigkeit an der Curtin University in Australien und ehemaliges Mitglied des Weltklimarats. „Doch ‚peak car‘ ist in zahlreichen Ländern schon vorbei.“ Vielen ist dieser Begriff im Gegensatz zu „peak oil“, dem Maximum der weltweiten Ölförderung, zwar noch ein Fremdwort, doch das Ende der automobilen Herrschaft naht Newman zufolge. Ob Perth, New York oder Berlin – in immer mehr westlichen Metropolen wollen immer weniger junge Menschen ein Auto besitzen. Die Absatzzahlen in dieser Zielgruppe sinken, obwohl das Wirtschaftswachstum steigt.

30%
der Haushalte in deutschen Großstädten besitzen weder ein Auto noch ein Motorrad

Das gilt zwar bislang nur für die Ballungsräume einiger Industrieländer, doch es ist eine kleine Revolution. So besaßen 2013 laut Statistischem Bundesamt rund 30 % der Haushalte in deutschen Großstädten weder ein Auto noch ein Motorrad. Ihr Anteil ist innerhalb von zehn Jahren deutlich gestiegen: 2003 lag er der Statistik zufolge noch bei 22 %.

Dieser gesellschaftliche Wandel ist es auch, der Newmans Hoffnungen beflügelt, dass das berühmte Zwei-Grad-Ziel des Weltklimarats doch noch erreichbar ist. Inzwischen glaubt er an grüne Städte, in denen nicht mehr nur das Auto, sondern die geschickte Vernetzung diverser Verkehrsmittel eine entscheidende Rolle spielen wird – vom Auto oder dem Zug über den Bus bis hin zum Fahrrad oder Motorrad. Die Zukunft des Verkehrs ist intermodal. Was zählt, ist der effizienteste Weg von A nach B und weniger das Verkehrsmittel.

Im Blick hat Newman dabei vor allem den Wandel der Megastädte in China und den USA, den beiden größten Treibhausgas-Emittenten. Dort passiert derzeit eine ganze Menge. In den 1990er Jahren liebäugelte Schanghai noch mit dem amerikanischen Modell. Highways wurden gebaut, Fahrräder durch Autos ersetzt – und die Stadt steuerte so auf den Verkehrskollaps zu. Seit Beginn des neuen Jahrtausends versucht die 24-Millionen-Metropole, mit Investitionen in U- und Hochbahnen gegenzusteuern. Innerhalb von zehn Jahren zog Schanghai das mit über 500 Kilometern längste Metrosystem der Welt auf, das jeden Tag acht Millionen Menschen befördert. Insgesamt wurden in China 86 neue U-Bahnlinien gebaut.

Selbst in den USA, die den Ruf des schlechtesten öffentlichen Nahverkehrs in der industrialisierten Welt haben, folgen heute immer mehr Städte dem Beispiel Portlands. Dort wurde in den vergangenen 30 Jahren keine einzige Autobahn gebaut. Stattdessen floss das Geld in die Renaissance der Straßenbahn. Insgesamt 30 Projekte quer durch das Land zählte die US-Nachrichtenagentur AP im Jahr 2013 – und merkte an, dass heute genau dort Gleise verlegt werden, wo man sie in den 1950er und 1960er Jahren entfernte.

Elektrisch in die Zukunft: Vor allem europäische Städte setzen im Nahverkehr mehr und mehr auf E-Busse, wie hier in Hamburg.
Lateinamerika hat dagegen Seilbahnen für sich entdeckt. In Boliviens Metropole La Paz etwa sollen sie künftig rund 15 % des Nahverkehrs übernehmen.
Der Elektroflitzer BMW i3 überzeugt nicht nur mit seinem Antrieb, sondern auch beim Gewicht: Die leichten Karbonfasern in der Karosserie machen das Gewicht der Batterie wett.

Carsharing auf der Überholspur

Carsharing boomt: Zwischen 2014 und 2018 soll der Markt im Schnitt weltweit um gut 40 % wachsen, sagen Analysten von Frost & Sullivan voraus. Allein car2go mit Sitz bei Stuttgart, das mit dem US-amerikanischen Zipcar um die globale Marktführerschaft konkurriert, zählte Ende 2014 eine Million Nutzer in acht Ländern. Parallel machen es immer mehr Firmen auch Privatpersonen möglich, ihr Fahrzeug gegen Entgelt zu teilen. Das Hongkonger Carshare.hk etwa zählt zwei Jahre nach Start der Vermittlungsplattform 2.000 Autos und 20.000 Mitglieder. Damit erschließt sich den findigen Start-ups ein enormer Wachstumsmarkt: Laut der Unternehmensberatung Roland Berger kann sich jeder zweite Autobesitzer in der industrialisierten Welt vorstellen, sein Auto zu teilen. Das freut Parkplatzsucher ebenso wie die Umwelt. Denn jedes geteilte Auto kann bis zu zehn private Pkw ersetzen, wie eine Analyse in der Carsharing-Pionierstadt Bremen zeigt.

Seilbahn als Alternative

Lateinamerika wiederum entdeckt die Gondeln für sich. Boliviens Hochland-Metropole La Paz etwa baut derzeit am größten urbanen Seilbahnnetz der Welt.

Neun Linien mit 30 Kilometern Länge könnten nach ihrer Fertigstellung etwa 15 % des Nahverkehrs übernehmen. Pendler, die sich noch vor kurzem mit dem Auto oder dem Bus über eine Stunde bergauf, bergab durch die Serpentinen quälten, erreichen die Nachbarstadt El Alto jetzt in 17 Minuten. Im Betrieb sind die elektrischen Bahnen zudem so günstig und wartungsarm, dass sie auch bei knappen Staatskassen erschwinglich sind. Und in Europa wird allmählich elektrisch, was bislang Abgase produzierte: der Stadtbus. In Mannheim und im britischen Milton Keynes werden derzeit beispielsweise die ersten E-Busse getestet, die sich an der Haltestelle selbst aufladen können – ganz ohne Kabel. Im Kleinen ist das Prinzip von der elektrischen Zahnbürste bekannt. Jetzt gilt es, das System auch so verlustfrei wie möglich auf den größeren Maßstab und unter die Straße zu verlegen. Wenn das gelingt, könnten die Busse im nächsten Schritt vielleicht gar auf eigenen Ladespuren während der Fahrt auftanken, so die Hoffnung der Forscher.

Der Ausbau und die Elektrifizierung des öffentlichen Nahverkehrs ist allerdings nur der erste Schritt. Über kurz oder lang müssen noch deutlich mehr Fahrzeuge elektrisch unterwegs sein, meint Newman. Allein in den USA werden jeden Tag rund 20 Millionen Barrel Öl verbraucht. 72 % davon fließen nach Angaben der US-amerikanischen Energy Information Administration (EIA) in den Transportsektor. Weltweit entfallen 51 % des Tagesverbrauchs von über 90 Millionen Barrel Öl auf das Verkehrswesen. Geht es weiter wie heute, wird die CO2-Konzentration bis zum Ende des Jahrhunderts so weit zunehmen, dass die Temperatur um 3,7 bis 4,8 Grad Celsius steigt, wie Berichte des Weltklimarats der Vereinten Nationen vorrechnen.

Doch die Elektromobilität ist noch immer ein Nischenmarkt, ebenso wie Fahrzeuge mit Hybridantrieb. Der erste Schritt und bereits seit Jahren befolgte Weg, um Emissionen zu senken, führt über die Effizienzsteigerung der Verbrennungsmotoren und ihrer Katalysatortechnik. Denn die Benziner sind alles andere als ein Auslaufmodell: So prognostiziert die aktuelle Shell-Studie für Deutschland, dass Autos mit Verbrennungsmotor in den nächsten 25 Jahren weiterhin dominieren werden. Fahrzeugen mit Hybridantrieb wird für 2040 ein Anteil von rund 27 % vorausgesagt. Autos mit Elektro- oder Brennstoffzellenantrieb sehen die Verfasser der Studie bei einem Anteil von etwa 5 %.

Dass die Elektroflitzer den Sprung in den Massenmarkt noch nicht geschafft haben, liegt neben der begrenzten Reichweite und Ladeinfrastruktur auch daran, dass sie immer noch rund ein Drittel teurer sind als ein vergleichbares Auto mit Verbrennungsmotor, sagt Dr. Axel Thielmann, Stellvertretender Leiter des Competence Center Neue Technologien am Fraunhofer-Institut für System- und Innovationsforschung (ISI).

51%
des Tagesverbrauchs von über 90 Millionen Barrel Öl entfallen weltweit auf das Verkehrswesen

Batterie der Zukunft gesucht

Forscher sind zwar unermüdlich auf der Suche nach dem nächsten großen Durchbruch, der die Akkus sowohl günstiger als auch haltbarer, energiedichter und damit leichter macht. Doch die Krux dabei: Die gewünschten Eigenschaften wirken fast immer gegeneinander. Hohe Reichweite und Batteriekapazität bedeuten hohe Kosten und Gewicht, geringe Kosten und Gewicht bedeuten dagegen eine begrenzte Batteriekapazität. Mit Hochenergie-NCM, einem speziellen und optimierten Gemisch aus Nickel, Kobalt und Mangan, ist jetzt ein vielversprechendes Material im Rennen, für das auch BASF eine Lizenz hält. Das Kathodenmaterial soll Lithium-Ionen-Batterien auf ein neues Leistungsniveau heben. In einer Umfrage des Fraunhofer ISI unter 91 internationalen Batterieexperten räumen diese der NCM-Technik beste Chancen ein, als „dritte Generation“ von Lithium-Ionen-Akkus die E-Autos in den kommenden Jahren erschwinglicher zu machen und ihre Reichweite zu steigern. Doch auch das wird nicht die Endstation sein: Im Laufe der nächsten 10 bis 20 Jahre könnten revolutionäre Techniken wie Lithium-Schwefel marktreif sein.

Doch nicht nur der Akku muss leistungsfähiger und leichter werden, auch die Fahrzeuge müssen abspecken. Denn jedes Kilo mehr erhöht den Verbrauch.

The BMW i3

Der kompakte Stadtflitzer BMW i3 ist das erste Elektroauto eines deutschen Premiumherstellers, bei dem in der Fahrgastzelle Karbonfasern statt Metall verbaut sind. Bis dahin war das aufwändig zu verarbeitende Material vor allem den handgefertigten Rennwagen der Formel 1 sowie der Luftfahrt vorbehalten. „Neu für Serienfahrzeuge ist auch die Kombination von Karbonfasern mit einer Polyurethan-Matrix“, sagt Dr. Guiscard Glück, Leiter der Einheit „New Markets and Products“ im Unternehmensbereich Performance Materials bei BASF. So kommt in der selbsttragenden Rücksitzschale der BASF-Schaumstoff Elastolit® zum Einsatz. „Das Bauteil erfüllt die hohen Sicherheitsanforderungen trotz seiner geringen Wandstärke von 1,4 Millimetern. Darüber hinaus verstärken mehr als zwei Dutzend Bauteile aus technischem Kunststoff die Karbonkarosserie und verringern so das Gewicht des Elektroflitzers erheblich.“ 1.195 Kilogramm bringt der BMW i3 insgesamt auf die Waage – in etwa so viel wie sein benzinbetriebener Konzernbruder MINI. Doch der schleppt auch keine 230 Kilogramm schwere Lithium-Ionen-Batterie mit sich herum und ist zudem kürzer.

Ob elektrisch oder benzinbetrieben – die Liebe zum vierrädrigen Gefährt bringt für die Metropolen dieser Welt noch ganz andere Herausforderungen mit. Fährt die Hälfte der Städter mit dem Auto, die andere Hälfte mit öffentlichen Verkehrsmitteln, dann nehmen die Autofahrer über 90 % der Fahrfläche in Anspruch. Die Folge sind entsprechend verstopfte Straßen.

PremAir® NXT: Unsere Atemluft schützen

Die meisten Fahrzeuge sind heute mit Katalysatoren ausgestattet, die Schadstoffemissionen in weniger schädliche Gase umwandeln und damit einen bedeutenden Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität leisten. PremAir® NXT von BASF ist eine katalytische Beschichtungstechnologie von Kühlergrills, die bodennahes Ozon – die wesentliche Komponente von Smog – in Sauerstoff umwandelt. Es katalysiert diese Reaktion, wenn Luft über den Kühlergrill des Fahrzeugs strömt. Im Vergleich zu früheren Technologien bietet PremAir® NXT eine verbesserte Leistung bei der Ozonumwandlung während der gesamten Lebensdauer eines Fahrzeugs. Außerdem erlaubt es den Automobilherstellern, strenge Emissionsanforderungen zu erfüllen.

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Statt langer Parkplatzsuche setzen autonome Robotertaxis ihre Passagiere am gewünschten Ziel ab und sammeln dann direkt ihren nächsten Fahrgast ein.

Robotertaxis gegen Stau

Gäbe es hingegen autonome Fahrzeuge, könnten die Fahrbahnen wieder so frei sein wie im 19. Jahrhundert, meint Dr. Raúl Rojas, Informatikprofessor und Spezialist für künstliche Intelligenz an der Freien Universität Berlin. Mit geschickter Routenplanung könnten die nimmermüden Chauffeure leicht vier oder mehr Personen gleichzeitig transportieren. Das Auto würde zum Sammeltaxi. Und das zahlt sich aus: In einer Analyse von 150 Millionen Taxifahrten durch Manhattan haben Forscher vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) herausgefunden, dass sich die Zahl der Fahrten um 40 % hätte reduzieren lassen, wenn jedes Taxi einen weiteren Gast mitgenommen hätte. „Künftig werden wir Autos nicht mehr besitzen“, betont auch Google-Mitgründer Sergey Brin in Interviews. Die vielen privaten Pkws seien eine enorme Belastung für die Gesellschaft. Zu Stoßzeiten sei jeder dritte Fahrer in der Stadt nur auf der Straße, weil er einen Parkplatz sucht. Damit sei es vorbei, wenn selbstfahrende Autos ihre Passagiere einfach am Ziel absetzen, um den nächsten Fahrgast abzuholen. Wie nah die Automobilkonzerne der Vision des fahrerlosen Autos schon sind, hat „Jack“ Anfang des Jahres bewiesen. Der mit Radarsensoren, Laserscannern und 3D-Kameras für den 360-Grad-Rundumblick ausgestattete Audi A7 hat gezeigt, dass sich mit dem Autopiloten schon rund 900 Kilometer vom Silicon Valley nach Las Vegas zurücklegen lassen.

Bis zu einer Geschwindigkeit von 110 Kilometern pro Stunde kann das Forschungsfahrzeug der VW-Tochter auf Autobahnen selbständig die Spur wechseln und überholen.

Wir sind nah dran am Autopiloten.“

Prof. Dr. Jürgen Leohold

Leiter der Volkswagen Konzernforschung

In Stadtgebieten wird der Fahrer allerdings aufgefordert, das Steuer wieder zu übernehmen. Zu unberechenbar sind die spontanen Bewegungen von Fahrradfahrern, Fußgängern und Kindern. Noch bis Ende des Jahrzehnts soll die Technik aus dem Testwagen in einem Serien-Audi verfügbar sein. „Wir sind nah dran am Autopiloten“, sagt Professor Dr. Jürgen Leohold, Leiter der Volkswagen Konzernforschung.

Das vollautomatische Fahren, bei dem der Fahrer sich auch einmal abwenden kann, um ein Nickerchen zu machen oder Zeitung zu lesen, sei allerdings noch 10 bis 15 Jahre entfernt. Bis dahin muss sichergestellt sein, dass das Auto jeden unerwarteten Störfall erkennt. Dass das intelligente Fahrzeug kommt, ist für Leohold jedoch keine Frage. „Wir brauchen es, um den Anforderungen der modernen Gesellschaft gerecht zu werden – für weniger Unfälle und Staus und mehr Entspannung während der Fahrt.“ So arbeiten längst nicht nur die Autohersteller an autonomen Fahrzeugen, auch bislang automobilferne Technologiekonzerne wie Apple und Google tüfteln daran.

Den VW-Forschungschef beschäftigt dabei keineswegs nur die Frage der Technik. Mindestens genauso spannend findet er die Suche nach neuen Geschäftsfeldern. „Wir können gut Auto – jetzt lernen wir IT“, sagt Leohold. Stauinfos, Tankstellenpreise, Parkplatzreservierung – welche Services braucht der Fahrer wirklich für eine bessere Mobilität? Auch die Konkurrenz schläft nicht. BMW beispielsweise hat speziell für seine E-Autos einen Routenplaner entwickelt, der öffentliche Verkehrsmittel und sogar Leihfahrräder beinhaltet. Sobald sich der Fahrer einer Großstadt nähert, schlägt die Software den Umstieg auf Rad, S-Bahn oder Metro vor, wenn sich das Ziel so schneller erreichen lässt.

Doch so groß die Hoffnungen sind, dass die Digitalisierung und der permanente Datenaustausch zwischen Fahrzeugen, smarten Infrastrukturen, Ampeln und Baustellen enorme Chancen bietet, den Verkehr in Zukunft flüssiger und sicherer zu machen – Hightech alleine dürfte die Herausforderungen der Städte nicht lösen.

Lebensqualität erhöhen

Fußgänger und Fahrradfahrer haben hier Vorrang: Das Kopenhagener Modell dient inzwischen als Vorreiter für viele Städte, darunter New York.

Es geht um mehr. „Eine Stadt ist lebenswert, wenn sie nicht im Tempo des Automobils, sondern dem der Fußgänger und Radfahrer tickt“, meint Jan Gehl, PhD. Wie Mobilität und Architektur von Städten mit Lebensqualität zusammenhängen, das hat der inzwischen emeritierte dänische Architekturprofessor, der heute als einer der einflussreichsten Stadtplaner der Welt gilt, über 40 Jahre erforscht. Die Tatsache, dass seine Heimatstadt Kopenhagen drei Mal zur lebenswertesten Stadt der Welt gekürt wurde, scheint ihm recht zu geben. Die allmähliche Eroberung der Stadt durch die Fußgänger und Radfahrer begann bereits 1962, als die erste Straße in der Innenstadt für den Autoverkehr gesperrt wurde. Damals protestierten die Ladenbesitzer aus Angst vor herben Umsatzeinbußen, tatsächlich jedoch florierten ihre Geschäfte. Schritt für Schritt wurden daraufhin mit der wissenschaftlichen Unterstützung von Gehl und seinem Forscherteam immer mehr Straßen für den Autoverkehr gesperrt, Bürgersteige verbreitert und ein stadtweites Netz an Radwegen gebaut. Heute sind alle 18 öffentlichen Plätze in der Innenstadt autofrei. 45 % der Kopenhagener radeln zur Arbeit und ohne Fahrradträger am Wagen erhält kein Taxifahrer eine Lizenz.

Eine Stadt ist lebenswert, wenn sie nicht im Tempo des Automobils, sondern dem der Fußgänger und Radfahrer tickt.“

Jan Gehl

PhD und emeritierter Professor an der Royal Danish Academy of Fine Arts, School of Architecture

Gehls Argumente haben auch in New York überzeugt. Ab Höhe des Times Square wurden im Mai 2009 die Autos vom Broadway verbannt. Statt eines erwarteten Verkehrschaos verbesserte sich der Verkehrsfluss Berechnungen des Verkehrsministeriums zufolge um 7 %. Taxifahrten waren plötzlich um 17 % schneller. Die Bürgersteige wurden wieder breiter, ein stadtweites Radwegenetz entstand. Innerhalb von zwei Jahren fuhren plötzlich doppelt so viele Menschen mit dem Fahrrad zur Arbeit. Inzwischen sind auch der Madison Square und elf weitere Plätze autofrei.

Ein solches Umdenken zeigt sich in immer mehr Städten weltweit. Doch die Vorzeigemetropole Kopenhagen kämpft inzwischen mit den Folgen ihres Erfolgs. Heute stecken immer mehr Radler im Stau. Zur Hauptverkehrszeit brauchen sie mitunter drei Ampelphasen, um über die Straße zu kommen, und in den beliebten Fußgängerzonen explodieren die Mieten für Bewohner und Ladenbesitzer. Doch Jan Gehl hat eine einfache Antwort: „Dann schaffen wir eben noch mehr Radwege und Fußgängerzonen.“

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